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Replikative Herstellung multifunktionaler Mikrofluidikfolien

IGF-Projekt: 21934 BR  (2021 - 2023)

 

DIE HERAUSFORDERUNG

Da notwendige Produktfunktionen auf Werkzeugen immer komplexer werden, kommt der konventionelle Werkzeugbau zunehmend an seine Grenzen und erfordert somit neue Lösungsansätze. Eine definierte Gestaltung der Folienoberfläche bei diagnostischen Produkten kann bspw. die Reproduzierbarkeit und Genauigkeit von Lab-on-Chip (LoC)-Systemen steigern. Die zur Herstellung verwendeten Polymerfolien werden aktuell mittels Heißprägen hergestellt und sind aufgrund der geringen Effizienz kommerziell verfügbarer Anlagen auf hochpreisige Nischenprodukte begrenzt. Neue Werkzeuge zur Abformung von Polymerfolien mit ortsselektiv funktionalisierten Oberflächen werden benötigt. Der UV-Spritzguss kann eine kostengünstige und massenproduktionsfreundliche Alternative zum Heißprägen darstellen. Bei der Herstellung von multifunktionalen Folien mittels UV-Spritzguss in einem zweistufigen Prozess kommt es jedoch zu sich ausbreitenden Mikrodelaminierungen, die ein unerwünschtes Unterlaufen der zweiten injizierten UV-härtbaren Komponente in weiter entfernte Werkzeugbereiche begünstigt.

 

DIE INNOVATIONSIDEE

Projektziel war die Herstellung reproduzierbarer multifunktionaler Polymerfolien in einem einstufigen Prozess, bei Verwendung sowohl des etablierten Heißprägeverfahrens als auch des UV-Spritzgussverfahrens, unabhängig von der chemischen Zusammensetzung der Folien. Durch Laser-Mikrostrukturierung ausgewählter Bereiche der Replikationswerkzeugoberflächen sollten spezifische fluidbeeinflussende Eigenschaften (hydrophob, hydrophil, gerichteter Transport durch hydrophob-hydrophil-Kombination) ortsselektiv eingestellt werden. Um dies zu erreichen, sollte eine vollständige Prozesskette entwickelt werden, die auch die Entwicklung komplexer funktionaler Mikrostrukturen im Bereich 0,1 bis 100 μm mittels Direkter Laser- (DLW, Direct Laser Writing) und Laserinterferenz-Strukturierung (DLIP, Direct Laser Interference Patterning) beinhaltet. Zudem sollte erstmals ein kinematisches Simulationsmodell für den Laserabtragsprozess mit einer Vorhersageplattform aufgebaut werden, das optimale Mikrostrukturvarianten simuliert und so den Entwicklungsaufwand komplexer Mikrostrukturen auf Werkzeugen reduziert.

 

DIE ERGEBNISSE

Auf Stempeloberflächen aus Werkzeugstahl (Werkstoff-Nr. 1.4301 und 1.2083) konnten mittels DLW und DLIP funktionale Mikrostrukturen entwickelt werden. Da Linien- im Vergleich zu Kreuzstrukturen in einem einstufigen Prozess herstellbar sind, wodurch der Durchsatz bedeutend erhöht wird, wurden diese Strukturen bevorzugt. Auf den Stempeloberflächen konnten mit beiden Laserverfahren durch geeignete Strukturierung eine hydrophobe Wirkung und ein gerichteter Fluidtransport erreicht werden. Eine hydrophile Wirkung ließ sich jedoch mit beiden Verfahren nur unmittelbar nach der Strukturierung erreichen. Nach kurzzeitiger Auslagerung entwickelten diese Oberflächen stets eine hydrophobe Wirkung.

Bei Übertragung der Strukturen auf Polycarbonatfolien mit dem Heißprägeprozess zeigte sich, dass die Prägetemperatur entscheidend für die Abformqualität ist. Von den DLIP-strukturierten Formeinsätzen ließen sich die Folien leicht lösen, nicht jedoch von den DLW-strukturierten Formeinsätzen. Eine bessere Ablösbarkeit wird für flachere Strukturen angenommen. Der Fluid/Folienoberflächen-Kontaktwinkel von 90° bei einer unstrukturierten Referenz konnte mithilfe einer Strukturierung mit hydrophober Wirkung auf 130° erhöht werden.

Für durch UV-Spritzguss hergestellte Folien wurden Acrylatformulierungen genutzt, mit denen hydrophile oder hydrophobe Wirkungen erzielt werden konnten. Mit den strukturierten Formeinsätzen konnte das spezifische Verhalten der verwendeten hydrophoben Acrylatmischung durch die Mikrostrukturierung verstärkt werden. Die Prozesszeit der Folienherstellung mit dem UV-Spritzguss war dabei im Vergleich zum Heißprägen um 87 % schneller. Verwendbare hydrophile Folien konnten dagegen nicht hergestellt werden, da die Folien beim Ablösen zerrissen. Ebenso wurde eine Umkehr des spezifischen Materialverhaltens im Projekt nicht erreicht.

Ein kinematisches Simulationsmodell für den Laserabtrag wurde erstmals entwickelt, um Oberflächenfeingestalt und Mikrostrukturen zu simulieren. Mit dem Modell konnte eine gute Übereinstimmung mit dem realen Abtrag erreicht werden, sodass der Entwicklungsaufwand komplexer Mikrostrukturen auf Werkzeugen hiermit reduziert werden kann. Die Oberflächenrauheitsparameter nach ISO 25178 konnten mit hoher Simulationsgüte für den DLW- und den DLIP-Prozess wiedergegeben werden. Die Vorhersagbarkeit des Benetzungsverhaltens der Werkzeuge und der Folien konnte dagegen trotz Verwendung eines Machine Learning Algorithmus nicht erreicht werden.

 

KMU-NUTZEN

Mit den Ergebnissen stehen eine neue Technologie zur Herstellung multifunktionaler Polymerfolien in nur einem Prozessschritt sowie eine Strukturierungs- und Simulationskompetenz für funktional strukturierte Formeinsätze im Werkzeug- und Formenbau zur Verfügung. Die größten Nutzen sind geringere Produktionskosten und -zeiten sowie eine höhere Qualität der Polymerfolien. Kurz- bis mittelfristig lassen sich die Ergebnisse auch in den Bereichen Tribologie, Biokompatibilität, Adhäsion, Absorption, Produktschutzapplikation, Vereisungsschutz und Dekoration nutzen. Neben der mittelständisch geprägten Medizintechnik-Branche profitieren vor allem KMU ohne eigene Ressourcen zur Entwicklung solcher Prozessketten.

 

Laufzeit: 01.07.2021 - 31.12.2023

Beteiligte Forschungseinrichtungen

  • Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Chemnitz
  • Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS, Dresden

Eingebundene Unternehmen
(Projektbegleitender Ausschuss
, "PA")

  • ACSYS Lastertechnik GmbH KMU
  • Bio-Gate AG KMU
  • Coherent Kaiserslautern GmbH
  • Fischer Werkzeugbau GmbH KMU
  • Fusion Bionic GmbH KMU
  • GBS mbH KMU
  • Gebrüder Ficker GmbH KMU
  • ibidi GmbH KMU
  • neoLase KMU
  • OPTOGON GmbH KMU
  • Pulsar Photonics GmbH KMU
  • SensLab GmbH KMU
  • SilkoTek GmbH KMU
  • SITEC Industrietechn. GmbH KMU
  • Vorwerk Nickern GmbH KMU
  • WZB Hartmann GmbH KMU
  • WESKO GmbH

Von diesen Unternehmen beteiligen sich bisher die Unternehmen ACSYS Lasertechnik, Bio-Gate AG, GBS mbH, SensLab und WZB Hartmann an der Deckung der auf freiwilliger Basis durch die Wirtschaft zu tragenden Administrationskosten. 

 

BMWK-Förderung

  • Das IGF-Vorhaben Nr. 21934 BR der F.O.M. wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
  • Fördersumme: 431.668 EUR

Abschließende Ergebnisse

Weitere Informationen für eingebundene PA-Unternehmen

  • Präsentationen und Protokolle der PA-Sitzungen:
    -  19.12.2023 (Webkonferenz)
    -  07.06.2023 (Webkonferenz)
    -  02.11.2022 (Webkonferenz)
    -  09.03.2022 (Webkonferenz)
    -  02.09.2021 (Webkonferenz)
  • Zwischenberichte:
    -  Zwischenbericht für 2023
    -  Zwischenbericht für 2022
    -  Zwischenbericht für 2021
  • Posterpräsentationen:
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2024
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2023
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2022
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2021

Die Projektergebnisse wurden am 13. Juni 2024 auf dem Innovationstag Mittelstand des BMWK in Berlin präsentiert.