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24.03.2022

Bremst die Entwicklung des Bundeshaushalts die Innovationsaktivitäten des Mittelstands aus?

Trotz hervorragender Evaluationsergebnisse Budgetkürzung für unterfinanziertes IGF-Programm um 10 Prozent geplant

Bremst die Entwicklung des Bundeshaushalts die Innovationsaktivitäten des Mittelstands aus?

Bereits 2016 wurde vom Bundestag beschlossen, das Budget des Innovationsförderprogramms "Industrielle Gemeinschaftsforschung" (IGF) des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) auf 200 Millionen Euro aufzustocken. Die Umsetzung dessen durch die Bundesregierung erfolgte jedoch erst im Zuge der Corona-Konjunkturhilfen in 2020 und 2021. Trotz einer hervorragenden Bewertung in dem in diesem Januar veröffentlichten Ergebnisbericht der IGF-Programmevaluation soll das IGF-Budget in 2022 auf 180 Millionen Euro gekürzt werden. Auch das Budget des zweiten großen BMWK-Förderprogramms, des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM), soll in 2022 von 635,5 Millionen Euro im Vorjahr auf 600 Millionen Euro gekürzt werden.

Dabei verspricht der Koalitionsvertrag noch Folgendes: "Die Förderprogramme wie „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)“, „Industrielle Gemeinschaftsforschung für Unternehmen (IGF)“, „INNO-KOM“, „go-digital“ und „Digital Jetzt“ sowie das „Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen (IGP)“ werden wir weiterentwickeln. [...] Die Förderprogramme sollen bedarfsgerecht und flexibel ausgestattet und dynamisch fortgeschrieben werden."

Wohlgemerkt: Die gemäß des 2. Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts für 2022 nur noch verbleibenden 180 Millionen Euro für die IGF sollen als Förderung von innovationsorientierten Machbarkeitsstudien für die gesamte Branchen- und Technologiebreite Deutschlands reichen. Bleibt es bei dieser Budgetierung, werden in 2022 im Vergleich zu vor fünf Jahren nur noch zwei Drittel der Projektneubewilligungen finanziert werden können, nur noch knapp über 400 neue Projekte.

Und nicht nur das: Für sämtliche IGF-geförderten Projekte dieses dienstältesten deutschen Förderprogramms werden projektbegleitende Industrieausschüsse mit jeweils oft 15 bis 20 beratenden und den Technologietransfer entgegennehmenden Unternehmen eingerichtet, die zu mindestens 50 % aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammengesetzt sein müssen. Seit Jahren sind jedes Jahr zwischen 23.000 und 25.000 Unternehmen in laufenden Projekten beteiligt. Das geringe Budget reicht also zur Erreichung der fünffachen Unternehmensanzahl im Vergleich zur vermutlich etwa fünffach teureren steuerlichen Forschungsförderung, die im Jahr von ca. 5.000 Unternehmen in Anspruch genommen wird, über ein Viertel davon Großunternehmen. Eine Verdoppelung des IGF-Budgets, von 200 Millionen auf 400 Millionen Euro, hätte eine Verdoppelung der erreichten, überwiegend mittelständischen Unternehmen zur Folge.

Stattdessen wird gekürzt. "Wir wollen keine Gießkanne", heißt es zur Rechtfertigung. "Der Fokus der Förderung soll auf den zukunftsorientierten Technologien verbleiben." Dass sich Forschungsvereinigungen des IGF-Verwaltungshelfers "Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen e. V." (AiF) längst zu einem großen Teil zu Forschungsallianzen zusammengefunden haben, die sich gerade den Herausforderungen der Zukunftstechnologien konzertiert stellen, wird dabei vollkommen ignoriert. AiF-Forschungsallianzen existieren zu Themen wie Energiewende, Wasserstoffenergiegewinnung, Leichtbau, Medizintechnik/Gesundes Leben, etc.

Die IGF wurde als in der Breite wirkendes Förderinstrument für den innovativen Mittelstand angelegt. Inzwischen ist es aus Spargründen zusammengeschrumpft auf den Umfang einer Exzellenzförderung. Während in 2017 noch ca. 70 % der bei der AiF eingereichten Anträge zu geförderten Projekten führten, waren es 2020 nur noch ca. 45 %; in 2022 könnte dieser Anteil auf deutlich unter 40 % sinken. Dabei handelt es sich bei den bei der AiF eingereichten Anträgen bereits um eine Selektion der AiF-Forschungsvereinigungen, die nach strengen Auslesekriterien (Mittelstandsrelevanz, Ergebnisverwertungs-Chancen, Risikobewertung, Antragsqualität, etc.) getroffen wurde. Betrachtet man die Entwicklung der sogenannten "Startpunktegrenze" wird die Zusammenschrumpfung noch offensichtlicher: Ab 24 von 40 maximalen Bewertungspunkten der Antragsgutachter gilt ein IGF-Vorhaben als befürwortet. Ab dieser Antragspunktezahl konnten in 2009 Projekte noch starten (siehe Abbildung). Seither hat sich eine monatllich kalkulierte zweite Grenze ausgebildet, denn die bereitgestellten Fördermittel reichten nicht mehr für alle befürworteten Vorhaben. Ab dem Jahr 2011 waren mindestens 31 Punkte notwendig, um mit einem IGF-Projekt starten zu können, ab 2017 32 Punkte, ab 2019 33 Punkte und ab 2021 34 Punkte. Falls sich die von der Regierung geplante IGF-Budget-Kürzung im Bundeshaushalt In 2022 durchsetzen wird, können in 2022 nur etwa 50 % der Vorhaben mit mindestens 35 Punkten (= 87,5 % der Maximalpunktezahl) durchgeführt werden. Nur noch ca. 12 % aller eingereichten IGF-Anträge erreichen eine solche Bewertung.

Hier muss dringend eine Politik-Umkehr stattfinden. Sollten Sie dies unterstützen wollen, nehmen Sie bitte mit der F.O.M. unter info@forschung-fom.de Kontakt auf.