Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat der Bundesregierung am 17. Februar 2016 das diesjährige Gutachten zu Forschung, Innovation und Technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vorgelegt, in dem Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im zeitlichen Zusammenhang analysiert und im internationalen Vergleich bewertet werden. Die Expertenkommission diskutiert hierzu aktuelle Themen der F&I-Politik, erstellt Schwerpunktanalysen zu Kernthemen, zeigt Perspektiven auf und gibt Handlungsempfehlungen.
Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
Die Expertenkommission zählt "soziale Innovationen" zu den am dringlichsten anzugehenden Herausforderungen in Deutschland zur Zeit. Veränderungen in der Nutzung von Technologien, Veränderungen von Lebensstilen, Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, Arbeitsweisen oder Organisationsformen sollen beispielsweise durch direkte FuE-Subventionen, Ausschreibung von Förderpreisen, Reallabore, Regelungen zur Crowd-Finanzierung oder Ausweitung der Gründerförderung auf soziales Unternehmertum unterstützt werden. Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation seien dabei von großer Wichtigkeit.
Steuerliche FuE-Förderung und verringerte Steuertarife auf Patenteinnahmen sollen Anreize zu Innovationsaktivitäten generieren und den Abbau von Externalitäten (d. h. den Verlust der vollen Erträge ihrer Innovationsentwicklungen durch Profitierung anderer, nicht FuE-kostenbeteiligter Unternehmen) sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmensseite bewirken.
Für die Hochschulpolitik wünschen sich die EFI-Gutachter eine Fortsetzung der Differenzierung zwischen besonders geförderten Exzellenzuniversitäten, die sich dem internationalen Wettbewerb stellen können und sollen und anderen Hochschulen, deren Profile sich an anderen Leistungsdimensionen orientieren können, wie z. B. Lehre, Weiterbildung oder Erkenntnistransfer. Mehr "Tenure Track"-Stellen sollen attraktivere Bedingungen für Nachwuchswissenschaftler schaffen. Flüchtlingen soll der Zugang zum deutschen Hochschulsystem erleichtert werden.
Kernthemen 2016
Die Expertenkommission beschreibt, dass die Innovationsleistungen von KMU sehr heterogen verteilt sind und bemängelt zu geringe durchschnittliche Innovationsintensität und Innovationsausgaben. Als Gegenmaßnahmen empfehlen die Gutachter z. B. die Einführung steuerlicher FuE-Förderung, die Anziehung ausländischer Gründer, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wagniskapital und die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland.
Die Robotikforschung - so die EFI-Gutachter - sei auszuweiten. Insbesondere soll die Servicerobotik verstärkt gefördert werden. Weiterbildungsangebote in Robotikanwendungen sollen ausgebaut werden.
Die digitale Agenda der Bundespolitik darf sich nicht nur auf die Automatisierung und Effizienzsteigerung im Rahmen der Industrie 4.0 stützen, sondern sollte im Rahmen einer Gesamtstrategie auch andere industrie- und anwendungsspezifische Impulse aufgreifen und z. B. die Entwicklung von Smart Service Welt und E-Health fördern. Die Expertenkommission erneuert ihre Empfehlung, die Rahmenbedingungen für Wagniskapital zu fördern, um auch ambitionierte Geschäftsmodellinnovationen von Start-ups, insbesondere im Bereich von software- und internetbasierten Technologien wie Cloud Computing und Big Data zu ermöglichen und zu unterstützen. Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und Geschäftsmodellen seien in der Breite zu fördern - in allen Ausbildungs- und Weiterbildungssegmenten.
Das E-Government soll ausgebaut werden: Die Abwicklung von Regierungs- und Verwaltungsprozessen mithilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien seien in Deutschland rückständig, wodurch wichtige Innovations- und Wertschöpfungspotentiale brachlägen.
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Unser Kommentar
Die F.O.M. und SPECTARIS, der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien, begrüßen die Analyse der EFI-Gutachter und die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Insbesondere die Handlungsempfehlung der EFI- Gutachter bezüglich der Notwendigkeit, Knowhow im Umgang mit digitalen Technologien verstärkt in die Ausbildung zu integrieren, ist dringlicher denn je. Im Zusammenhang mit den sich rasch entwickelnden Technologien der Industrie 4.0 und der additiven Fertigung trugen wir bereits vor zwei Jahren an das Bundeswirtschaftsministerium heran, dass IT bereits in der Grundschule, aber auch in der Sekundarstufe den Stellenwert eines Hauptfaches erhalten muss.
Das EFI-Gutachten kritisiert erneut die zu geringen Innovationsausgaben deutscher KMU, doch wann wird erkannt, dass seit Jahren in ihrem Volumen stagnierende Projektfördertöpfe dem Anstieg des Innovationsdrucks - gespiegelt in einer kontinuierlich und rasant ansteigenden Anzahl von Projektförderanträgen - nicht gerecht werden und jeder zusätzliche Innovationsschöpfungsanschub durch die Bundesregierung verstärkte FuE-Investitionen der Wirtschaft nach sich ziehen würde?
Die steuerliche FuE-Förderung birgt Risiken, deren Diskussion wir im EFI-Gutachten nach wie vor vermissen: nämlich eine potentielle Bevorteilung größerer gegenüber kleinerer KMU z. B. aufgrund einer signifikant höheren Steuerentlastung bei vorhandenen FuE-Abteilungen. Eine Alternative wäre eine dem gestiegenen Innovationsdruck entsprechend angemessen verstärkte FuE-Projektförderung, die auch Klein- und Kleinstunternehmen an Innovationsschöpfungen teilhaben ließe. Insbesondere die Förderung im Rahmen des BMWi-Programms der Industriellen Gemeinschaftsforschung greift eine Vielzahl technologisch noch hochriskante Innovationsideen auf und trägt diese bis zur erfolgten Überprüfung ihrer industriellen Machbarkeit. Die Einbindung zahlreicher Unternehmen - überwiegend KMU - in jedem in diesem vorwettbewerblichen Programm geförderten Projekt vervielfacht jeden eingesetzten Fördereuro.
Die Recherche der EFI-Gutachter ergab, dass ein Drittel der innovationsaktiven KMU im Zeitraum 2012 bis 2014 einen Mangel an geeignetem Fachpersonal als Innovationshemmnis empfand, und gleichzeitig, dass zwei Drittel der forschenden KMU Schwierigkeiten bei der Akquise von neuem wissenschaftlichen Personal hatten, weil die Gehaltsforderungen der Bewerber zu hoch waren. Wir wollen scheinbar auf der einen Seite unbedingt unser (immer abwanderungsbereiteres) wissenschaftliches Personal halten und dennoch ist auf der anderen Seite die Handlungsempfehlung der EFI-Gutachter, dass wir (günstigere) Fachkräfte aus dem Ausland akquirieren sollten? Und was machen wir mit unseren hochausgebildeten Akademikern in dieser Zeit der schnellen Ausbreitung von Car Sharing? Liebe EFI-Gutachter, hier gilt es, noch einmal vertieft nachzudenken.