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19.03.2015

EFI empfiehlt Bundesregierung energisches Vorgehen bei der Digitalisierung und Vernetzung der deutschen Industrie

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat Ende Februar das diesjährige Gutachten zu Forschung, Innovation und Technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vorgelegt. Die jähr- lichen EFI-Gutachten dienen primär der Politikberatung für die Bundes- regierung. Sie analysieren und bewerten die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen Vergleich und betrachten den Status quo im zeitlichen Zusammenhang. Die Experten- kommission diskutiert hierzu aktuelle Themen der F&I-Politik, erstellt Schwerpunktanalysen zu zentralen Herausforderungen, zeigt Perspek- tiven auf und gibt Handlungsempfehlungen.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Die Expertenkommission weist darauf hin, dass die FuE-Intensität in Deutschland, also die Ausgaben für Forschung und Innovation im Ver- hältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), in 2013 gesunken ist und damit wieder unterhalb der bisher angestrebten 3 Prozent verbleibt. Will Deutschland langfristig zu den führenden Innovationsnationen aufschlie- ßen, muss jedoch ein noch ehrgeizigeres Ziel für FuE-Ausgaben von 3,5% des BIP ins Auge gefasst werden.

Als besorgniserregend bezeichnet EFI die langfristige Entwicklung der Innovationsaktivitäten in deutschen KMU. Die Beschäftigung von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern wächst langsamer als in Großunternehmen. Die Innovationsaufwendungen in KMU relativ zum Umsatz sind 1995 bis 2012 deutlich gesunken. Hier ist ein Gegensteuern der Politik notwendig.

Gefordert wird die zeitnahe Formulierung konkreter Meilensteine für die neue Hightech-Strategie. Die stärkere Bündelung von themenorientier- ten Fördermaßnahmen sollte beibehalten werden. Online-Plattformen sollen Ideensammlung und Meinungsbildung bei der Umsetzung von verstärkter Transparenz und dem Ziel partizipativer Prozesse unter- stützen. Kontraproduktive Überlagerungen von Maßnahmen verschie- dener Politikbereiche soll vermieden werden. So sollten nicht regional- politische Ziele die F&I-Bundespolitik leiten, jedoch ist deren Ergänzung durch die Erschließung regionaler Innovationspotential durchaus erstrebenswert.

Die Expertenkommission fordert im Rahmen der Digitalen Agenda der Bundesregierung die zeitnahe Realisierung einer flächendeckenden Versorgung mit Bandbreiten von 50 Mbit/s, die Schaffung von Rechts- sicherheit bezüglich des Datenschutzes, die Öffnung staatlich erhobener und nicht sensibler Personendaten für wissenschaftliche Analysen sowie die Ausgestaltung des Konzepts Industrie 4.0.

Die Ankündigung verschiedener geplanter Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für nationales und internationales Wagnis- kapital durch die Bundesregierung, wird durch die Kommission begrüßt. Dies gilt insbesondere die Überarbeitung der restriktiven steuerrechtli- chen Regelung zur Behandlung von Verlustvorträgen sowie das Vorha- ben, über den Europäischen Investitionsfond einen Fonds für die Wachs- tumsfinanzierung deutscher Start-ups aufzulegen.

Kernthemen 2015

Die Expertenkommission empfiehlt, den mehrstufigen, technologie- offenen Wettbewerb für zukünftige Clusterinitiativen beizubehalten. Regionale Cluster sollten sich aktiv überregional vernetzen, um Impulse von außen nutzen zu können. Diesem Zweck diene auch die neue Fördermaßnahme des BMBF, "Internationalisierung von Spitzenclustern, Zukunftsprojekten und vergleichbaren Netzwerken". Die Fortführung des vom BMBF ins Leben gerufenen Spitzencluster-Wettbewerbs, ein Bestandteil der Hightech-Strategie zur räumlichen Agglomeration von Unternehmen und anwendungsorientierter Wissenschaftseinrichtungen sowie zur Schaffung von Netzwerkvorteilen für zusammenarbeitende Unternehmen, über die bis 2017 laufende dritte Förderrunde hinaus empfiehlt die Kommission nicht, da sich die zu erwartenden zusätzlichen Fördereffekte deutlich abschwächen würden.

Additive Fertigung (3D-Druck) bietet die Chance, industrielle Produktion in Deutschland zu halten und an ausländische Standorte verloren- gegangene Wertschöpfungsprozesse wiederzugewinnen. Disziplin- übergreifende Zusammenarbeit in der entsprechenden Forschung sollte durch geeignete Maßnahmen intensiviert und der Technologietransfer unterstützt werden. Die Förderung von Industrie 4.0 sollte die Eruierung des Potentials des 3D-Drucks integrieren. Die Expertenkommission fordert darüber hinaus einen stringenten Gesamtrahmen für Förder- maßnahmen zum 3D-Druck. Sie stellt heraus, dass die zeitnahe Klärung bislang offener Rechtsfragen zur Haftung notwendig ist, um die Rechtssicherheit von Innovationsakteuren zu erhöhen. Von der Bundesregierung fordert EFI stärkere Anreize für die Entwicklung von Qualitätsstandards sowie für Prüf- und Zertifizierungsaktivitäten im Bereich 3D-Druck-Design, -Materialien und -Produkten. Internationale Kooperationen in Forschung und Standardisierung bezüglich additiver Fertigung sollten verstärkt gefördert werden.

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Unser Kommentar

Die F.O.M. und SPECTARIS, der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien, begrüßen die Analyse der EFI-Gutachter und die Ableitung der Handlungsempfehlungen. Insbesondere die Handlungsempfehlungen und Forderungen der EFI- Gutachter bezüglich der Chancen und Risiken im Zusammenhang mit den sich rasch entwickelnden Technologien der Industrie 4.0 und der additi- ven Fertigung trugen wir bereits vor einem Jahr an das Bundeswirt- schaftsministerium heran. Wie das EFI-Gutachten jedoch zeigt, haben sich die Lücken in der Begleitung der Industrie 4.0 durch die Bundes- politik seither nicht geschlossen und der Handlungsbedarf ist dringlicher denn je.

Erneut fällt auf, dass das EFI-Gutachten in erster Linie auf die Blickfelder des Bundesforschungsministeriums fokussiert. Wie sonst ließe sich er- klären, dass die Expertenkommission auf der einen Seite bemängelt, dass die Innovationsaufwendungen in KMU relativ zum Umsatz im Zeit- raum von 1995 bis 2012 deutlich gesunken sind, man auf der anderen Seite eine Forderung der Gutachter nach der Ausweitung von For- schungsanreizen durch eine Mittelaufstockung der zwei erfolgreichen technologie- und branchenoffenen BMWi-Forschungsförderprogramme zur Unterstützung der Innovationskraft deutscher KMU vergeblich sucht: Dass das "Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand" (ZIM) existiert, wird wenigstens an einer Stelle beiläufig erwähnt. Das Programm der "Industriellen Gemeinschaftsforschung" (IGF) taucht in dem über 150-seitigen Gutachten überhaupt nicht auf.

Dabei fördert das seit über 60 Jahren existierende IGF-Programm jährlich rund 1.500 vorwettbewerbliche innovationsorientierte For- schungsprojekte mit dem Ziel, die Machbarkeit von technologisch ris- kanten Innovationsideen zu prüfen und anhand der Entwicklung eines Demonstrators nachzuweisen. Dazu vernetzte es allein in den letzten fünf Jahren über 1.200 in Projekte eingebundene Forschungseinrichtun- gen mit einem Netzwerk von etwa 50.000 überwiegend kleinen und mittleren Industrieunternehmen. Der rapide ansteigenden Anzahl einge- reichter Forschungsanträge der letzten Jahre wird jedoch nicht Rech- nung getragen: Von 2011 bis 2014 stieg die Anzahl der eingereichten IGF-Anträge um 48% (2006-->2014: +82%). Dennoch sanken im selben Zeitraum die in einem Jahr für neue Projekte zur Verfügung stehenden Fördermittel um 16,7% (2006-->2014: -49%). Daraus resultiert, dass mittlerweile selbst Projektvorhaben, deren Anträge von transdisziplinär zusammengesetzten Gutachtergruppen als sehr gut bewertet wurden, monatelang oder über ein Jahr auf die Projektstartbewilligung warten müssen – oder im schlimmsten Fall gar nicht durchgeführt werden können. Hier geht KMU-Innovationspotential in immensem Umfang unmittelbar verloren. Die EFI-Gutachter berichten darüber nichts.

In der Innovationsschöpfungskette folgt auf den Nachweis der Machbar- keit in der Regel die Entwicklung eines Prototyps. Dieser Entwicklungs- schritt wurde im Rahmen des ZIM-Programms seit 2008 mit knapp 4 Mrd. Euro Fördermitteln in rund 28.000 wettbewerblichen industriellen For- schungsprojekten gefördert. Diese Mittel sind Zuschüsse zu Innova- tionsvorhaben mit einem Gesamtinvestitionsvolumen, einschließlich des Eigenanteils der Industrie, von ca. 10 Mrd. Euro. Die Kombination aus IGF- und ZIM-Programm des BMWi stellt bei mit dem Innovationsdruck mitwachsenden Fördertöpfen sicher, dass es möglichst viele Innova- tionsideen bis zum fertiggestellten Prototyp schaffen und die anschlie- ßend notwendigen Schritte bis zur Markteinführung einer möglichst großen Anzahl an Innovationen aus eigener Kraft der mittelständischen Unternehmen gestemmt werden können. Die Expertenkommission versäumt jedoch, ein dynamisches Mitwachsen der IGF- und ZIM-Förder- töpfe mit dem nach wie vor steigenden Innovationsdruck, insbesondere für KMU, anzumahnen.

Wir empfehlen, die BMWi-Werkzeuge zur Unterstützung der deutschen Innovationskraft in den kommenden EFI-Gutachten stärker zu berück- sichtigen.