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21.05.2019

Kabinettsvorlage zur steuerlichen Forschungsförderung ist nachzubessern!

Die deutsche Innovationskraft erhält seit vielen Jahren in den verschiedenen Rankings sehr gute Noten und ist in den meisten weltweiten Vergleichen stets auf den vorderen Rängen. Und das bisher mithilfe der Projektförderung (auch "direkte Forschungsförderung") als wesentliche staatliche Unterstützungsform, also ohne steuerliche Forschungsförderung ("indirekte Forschungsförderung").

Doch einige Schlüsseltechnologien (z. B. die Photonik) sind in ihrer Vielfalt zugunsten von Hype-Themen (z. B. Quantentechnologie und KI) aus dem Fokus der Programmförderung des Bundesforschungsministeriums (BMBF) geraten. Auch die innovationsorientierten Förderprogramme des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) für transdisziplinäre Forschung werden entgegen eines anders lautenden Bundestagsbeschlusses nicht mit den benötigten Budgets ausgestattet, um als Breitenförderungsmaßnahmen die Innovationsaktivitäten des deutschen Mittelstands wie benötigt unterstützen zu können.

Viele Unternehmen suchen daher nach einer neuen Unterstützung ihrer Innovationskraft. Kann die geplante Einführung der steuerlichen Forschungsförderung den Förderbedarf decken?

Ab Januar 2020 sollen Aufwände für Forschung und Entwicklung (FuE) steuerlich gefördert werden. So stellt es der am 12. April 2019 vom Bundesfinanzministerium BMF veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung in Aussicht, der der Bundesregierung zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt wurde. Vergleichen wir einmal die ursprünglichen Wünsche und Ziele der seit vielen Jahren erhobenen Forderungen nach Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung mit dem Gesetzentwurf.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) empfiehlt der Bundesregierung seit Jahren, mit anderen OECD-Ländern gleichzuziehen, von denen bereits über 80 % die eigene Industrieforschung durch steuerliche Maßnahmen fördern. Dass diese Länder in internationalen Innovationsindizes und Rankings der Innovationskraft größtenteils hinter Deutschland liegen, sei einmal unberücksichtigt. Die steuerliche Forschungsförderung würde insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nutzen und deren eigene FuE-Investitionstätigkeit anregen, so die Hypothese der EFI-Gutachter.

Klar ist, dass in der Wirtschaft ein Ausbau der öffentlichen FuE-Förderung dringend benötigt wird, um im globalen Wettbewerb um Innovationen bestehen zu können. Die deutsche Industrie erhofft sich die folgenden Mehrwerte durch die indirekte Forschungsförderung:

  • Bürokratiefreier Zugang zu Fördermitteln für die eigenen FuE-Aufwände
  • Themenoffenheit
  • Förderfähigkeit von Sprunginnovationsforschung und Weiterentwicklungen
  • Anrechenbarkeit extern vergebener Forschungsaufträge
  • Planungssicherheit

Das Ziel der Bundesregierung erscheint damit zunächst kompatibel - nämlich mithilfe der steuerlichen Forschungsförderung Anreize vorrangig für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu setzen, in die eigene Forschung und Entwicklungstätigkeit vermehrt zu investieren, ohne die größeren Unternehmen von der Förderung auszuschließen. Die in Deutschland gemeinsam getätigten FuE-Investitionen sollen so auf insgesamt 3,5 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) gesteigert werden und hierdurch Technologievorsprünge im globalen Wettbewerb gesichert oder ausgebaut werden können.

Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass alle einkommens- und körperschaftssteuerpflichtigen Unternehmen – ohne Größenbeschränkung – ab Beginn 2020 für zunächst vier Jahre FuE-Arbeitslöhne steuerlich geltend machen können. Nach Ablauf der Wirtschaftsjahre können Forschungszulagen in Höhe von 25 % der FuE-Lohnkosten multipliziert mit einem Faktor von 1,2 beantragt werden, bis zu einem Fördermaximum von 500.000 Euro pro Unternehmen und Jahr. Auftragsforschung soll Auftragsnehmer-seitig geltend gemacht werden können. Für die vierjährige Pilotphase der steuerlichen Forschungsförderung sollen 5 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt werden.
 

Verspricht der Gesetzentwurf die Wünsche der Industrie zu erfüllen? Nur teilweise!

1.  Bürokratiefreier Zugang zu FuE-Fördermitteln:
Nicht gegeben!

Der Entwurf sieht ein zweistufiges Verfahren zur Überprüfung der Anrechenbarkeit der Forschungsaufwände und zur Freigabe der Forschungszulage vor. Mithilfe einer detaillierten Beschreibung aller geplanten FuE-Tätigkeiten eines Wirtschaftsjahres, für die Arbeitsaufwände steuerlich geltend gemacht werden sollen, ist zunächst eine Bescheinigung einzuholen, in der festgestellt wird, dass die geplanten Tätigkeiten die Voraussetzungen für den berechtigten Anspruch auf steuerliche Forschungsförderung erfüllen. Nach Ablauf des Wirtschaftsjahres ist schließlich ein Antrag auf Forschungszulage zu stellen, in dem nachprüfbar zu versichern ist, dass die anzurechnenden FuE-Tätigkeiten ohne Veränderung der in der Bescheinigung zugrunde gelegten Sachverhalte durchgeführt wurden.

2.  Themenoffenheit der förderfähigen Forschung:
Gegeben!

Eine inhaltliche Beschränkung der förderfähigen Forschung ist nicht vorgesehen.

3.  Förderfähigkeit von Sprunginnovationsforschung und Weiterentwicklungen:
Gegeben!

Es können die Arbeitsaufwände für Grundlagenforschung, industrieller Forschung und experimentelle Entwicklung steuerlich geltend gemacht werden. Die steuerliche Forschungsförderung unterstützt daher gleichermaßen die Entwicklung von disruptiven sowie von inkrementellen Innovationen.

4.  Anrechenbarkeit extern vergebener Forschungsaufträge:
Nicht gegeben!

An externe Forschungseinrichtungen vergebene Aufträge können steuerlich nicht geltend gemacht werden, an andere Unternehmen vergebene Aufträge nur Auftragnehmer-seitig. Dies unterscheidet das deutsche Modell von der Praxis in den meisten anderen Ländern und hat mehrere Nachteile:

  1. Während Unternehmen dafür steuerlich belohnt werden, ihre Forschung im eigenen Unternehmen durchzuführen, wird die Auftragsvergabe an Forschungseinrichtungen gehemmt. Der wichtige  Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wird damit ausgebremst.
  2. Durch einen resultierenden Rückgang der Forschungsaufträge aus der Industrie wird die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses in Forschungseinrichtungen behindert.

5.  Planungssicherheit:
Teilweise gegeben!

Erfolgen Beantragung und Ausstellung der genannten Bescheinigung zur Anspruchsberechtigung vor Beginn der FuE-Vorhaben eines Wirtschaftsjahres, können Unternehmen mit der ausgewiesenen Forschungszulage verbindlich rechnen und erhalten hierdurch Planungssicherheit, vorausgesetzt, die in der Bescheinigung zugrunde gelegten Sachverhalte haben sich nicht verändert. Anders verhält es sich bei Abweichungen von Vorhabenplänen, für die eine Bescheinigung bereits eingeholt wurde. Zum Beispiel lassen sich bei Verzögerungen im Forschungsverlauf förderfähige Aufwände nicht auf andere Wirtschaftsjahre übertragen. Die verschobenen Tätigkeiten sind bei der Beantragung der Bescheinigung des Folgejahres erneut zu beschreiben, was den bürokratischen Aufwand erhöht. Auch bei inhaltlichen Abweichungen der FuE-Tätigkeiten vom bescheinigten Förderanrecht ist eine neue Bescheinigung zu beantragen, was wieder den bürokratischen Aufwands erhöht und zur Einschränkung der Planungssicherheit führt.
 

FAZIT

Insgesamt weist der vorgelegte Entwurf des BMF in die richtige Richtung. Ob sich damit aber die Ziele der Bundesregierung erreichen lassen, nämlich die Anreizsetzung für private FuE- Investitionen, insbesondere für KMU, wird angezweifelt.

Die Zugrundelegung der FuE-Arbeitskosten als Bemessungsgrundlage für die Forschungszulage verringert zwar das Risiko von Mitnahmeeffekten, bewirkt jedoch gleichzeitig die Begünstigung größerer Unternehmen mit eigener Forschungsabteilung. Circa 80 % der deutschen Unternehmen sind jedoch Kleinstunternehmen, mit weniger als 10 Beschäftigten, und weitere 10 % sind der Gruppe der Kleinen Unternehmen (< 50 Beschäftigte) zuzurechnen. Für den weitaus größten Teil der deutschen Unternehmen lassen sich somit keine ausreichenden Aufwände geltend machen, um mit der Forschungszulage spürbare Anreize für eigene Forschungsinvestitionen zu erhalten. Für Großunternehmen wiederum dürfte die Höhe der maximalen Forschungszulage von 500.000 Euro sicher zu niedrig sein, um spürbare Anreize zu setzen.
 

Die folgenden Nachbesserungen werden gefordert:

1.
Auftraggeber-seitige (anstatt Auftragnehmer-seitige) Anrechenbarkeit von Arbeitsaufwänden bei unternehmensexterner Vergabe von Forschungsaufträgen

zur Unterstützung des transdisziplinären Technologietransfers und der Ausbildung von Fachkräftenachwuchs.

2.
Ausstellung von FuE-Vorhaben-bezogenen (anstatt Wirtschaftsjahr-bezogenen) Bescheinigungen der Anspruchsberechtigung auf Forschungszulage

zur Verringerung des bürokratischen Aufwands und zur Ermöglichung einer längerfristigen Planungssicherheit.

3.
Parallele Ausweitung der themenoffenen innovationsorientierten IGF- und ZIM-Projektförderung 

zum dringend benötigten Ausbau der Förderung für vorwettbewerbliche Machbarkeitsstudien und zur Stärkung der Innovationskraft kleinerer KMU ohne Forschungsabteilungen oder Möglichkeit zur privat-finanzierten Vergabe von Forschungsaufträgen.